Jeder, der schon mal mit Scrum gearbeitet hat, wird wohl den Begriff Commitment kennen. Die übliche Praxis ist, dass sich das Entwicklerteam am Ende des Sprint Plannings auf eine gewisse Menge von Backlog Items bzw. Stories committed. Es ist also eine Mischung aus Prognose und Vereinbarung. Und obwohl dieses Werkzeug eigentlich als etabliert gilt, hört man immer wieder Stimmen, die es für gefährlich oder unproduktiv halten. Aber wie weiter?
Oft wird angeführt, dass dadurch zu viel Druck auf dem Team lastet, was letztlich zu Überstunden und schlechter Qualität (“heiße Nadel”) führt. Das Commitment wird oft als Metrik und als Performanceindikator wahrgenommen. Meist wird suggeriert, dass das Team schlechter gearbeitet hätte, wenn es das Commitment nicht erreicht. Das erzeugt Ängste und verleitet die Beteiligten, sich hauptsächlich auf das Erreichen dieser Linie zu konzentrieren, was von zentralen Themen wie Qualität oder kontinuierlicher Verbesserung ablenkt. Ein nicht erreichtes Commitment drückt auf die Stimmung und man setzt viel Zeit und Energie ein, um zu ergründen, warum es nicht geklappt hat.
Es ist verständlich, dass diese Art von Commitments nicht förderlich und zu vermeiden sind, jedoch kann der Begriff auch gänzlich anders interpretiert werden. Im aktuellen Scrum-Guide wird das Wort Commitment gar nicht mehr erwähnt. Dafür taucht der sogenannte Forecast (dt. Prognose) auf. Mutmaßlich entstanden aus eben diesen Missverständnissen, für die das Wort Commitment sorgen kann. (Siehe auch : Commitment-vs-Forecast-A-subtle-but-important-change-to-Scrum )
Commitment heißt nun Forecast, sonst ändert sich nichts?
Nicht ganz: Ein Forecast bzw. eine Prognose ist deutlich unverbindlicher als ein Commitment. Prognosen erstellt man zum Wetter, zu Börsenkursen oder Wahlen. Also zu Dingen, die der Ersteller der Prognose in der Regel nicht maßgeblich beeinflusst. Wir als Team wollen jedoch Verantwortung für das Ergebnis des Sprints übernehmen. Diesen so wichtigen Aspekt klammert der Begriff Forecast aus. Im Gegenzug ist das Commitment allerdings kein Versprechen, eine gewisse Anzahl von Stories zu schaffen! Es formuliert lediglich die Absicht, die prognostizierte Menge an Stories mit vollem Einsatz schaffen zu wollen. Es besteht somit aus der Prognose und einer Absichtserklärung. In der englischen Version des Scrumguides wird nun deshalb von einem “commited team” (commited = “engagiert” oder “verpflichtet”) gesprochen. Sich zum Projekt und zum Team zu „committen“, ist ein sehr wichtiger Bestandteil von Scrum, denn es fördert Vertrauen, Autonomie, Verantwortung und Gemeinschaft. Genau das ist letztlich die Geisteshaltung, die man im Projekt haben will: keine Gruppe von Personen, sondern Menschen, die zusammen ein gemeinsames Ziel erreichen wollen: ein Team. Dadurch entsteht eine anspruchsvolle und motivierte Umgebung, die die eigenen Ansprüche und den eigenen Ehrgeiz jedes Teammitglieds fördert und fordert. Und das ist auch nötig, da die beste und nachhaltigste Motivation die ist, die von innen kommt.
Für Außenstehende und Stakeholder ist es oft leichter, eine falsche Prognose zu akzeptieren, als ein nicht erreichtes Commitment. Möglicherweise weil eben die Prognose unverfänglicher ist und beim Commitment noch das „Versprechen“ mitschwingt. Jedoch ist die Prognose direkter Bestandteil des Commitments, welches im Ganzen dann wieder den normalen Unwägbarkeiten der Softwareentwicklung unterworfen ist. Zudem ist in der Kultur des „positive failings“, die wir schaffen wollen, das Nichterreichen eines angesetzten Ziels kein Ärgernis. Wir lernen aus jedem Scheitern, beispielsweise indem wir das Resultat eines jeden Sprints als eine der Eingangsgröße für die Vorhersage im nächsten Sprint Planning nehmen.
Falls man aus den genannten Gründen, die Prognose gerne auch als solche benennen will, kann man sich auch zu Dingen abseits des Sprints committen. Beispielsweise darauf, respektvoll miteinander umzugehen oder die agilen Prinzipien zu leben (z. B. Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz, usw.). Es ist durchaus hilfreich, sich solche Prinzipien in den Scrum-Zeremonien regelmäßig ins Gedächtnis zu rufen und sich aktiv und gemeinsam zu diesen Zielen zu bekennen.
Ob man nun beim altbekannten Commitment bleibt oder zum Forecast wechselt, ist letztlich nicht entscheidend. Es mag jedoch hilfreich sein, das Wort zu wechseln, falls der Begriff Commitment schon länger falsch oder negativ besetzt ist. Und natürlich dürfen wir uns auch in Zukunft mal kräftig ärgern, wenn das Sprintziel oder die Ziele des Teams nicht erreicht wurden. Das sollte allerdings nicht dem gesunden Ehrgeiz und der Motivation im Weg stehen, die aus einem Scheitern wachsen können. Letztlich entscheidend ist, dass das Failing immer erlaubt ist und jeder sich selbst und der Gemeinschaft verpflichtet fühlt, sein Bestes zu geben, um das Projekt und das Sprintziel zu erreichen. Nichts anderes sollte es bedeuten, wenn man vom Commitment spricht.